Montag, 29. Dezember 2014
Rauhnächte
Die Zeit zwischen den Jahren fühlt sich für mich seit jeher an wie eine Zeit ausserhalb der Zeit. Ob den feiertagsbegleitenden Ferien bleibt viel Zeit für mich, Zeit zum Ruhen, Zeit zum Träumen. Täglich bringe ich kleine Opfergaben an Frau Holle, die Wilde Jagd, Krampus, die Geister des Ortes und wer sich sonst noch in den winterlichen Nächten rumtreiben mag.
Samstag, 27. Dezember 2014
Weihnachten
Mit Weihnachten findet die winterliche Festzeit ihren Höhepunkt in dessen Mittelpunkt für mich die Familie steht. Wir feiern Weihnachten als das grösste Fest des Jahres am Abend des 24. Dezembers. Dazu gehört eine reich geschmückte Tanne und prunkvolle Kleider, wir beginnen mit Lachs und Champagner, laben uns an einem Festtagsmenu um dann über eine Geschichte zum Singen und dem Geschenkeauspacken zu gelangen. In den nächsten Tagen folgen weitere Feierlichkeiten mit der Verwandtschaft.
Montag, 22. Dezember 2014
Jul
Aus der längsten Nacht - dieses Jahr dank dem gleichzeitigen Leermond auch die düsterste - wird das Licht neu geboren. Die Tage werden wieder länger. Gefolgt von den Rauhnächten, Weihnachten und Neujahr leitet Jul die Festzeit zwischen den Jahren ein.
Mittwoch, 17. Dezember 2014
Ahnenlicht
Auf meinem Tisch brennt eine Kerze. Sie ist meinen Ahnen gewidtmet und stellt ein kleines Dankesopfer dar, gelegentlich durch eine Räucherung ergänzt. Ihr Licht verleiht meiner Achtung Ausdruck und ist gleichzeitig eine ständige Erinnerung.
Dienstag, 16. Dezember 2014
Adventszeit
Dieses Jahr bin ich bis kurz vor Jul noch fest in den Alltag eingebunden, vermochte aber doch Blicke auf die Magie dieser Zeit des Erwartens zu erhaschen. Geholfen hat mir dabei das Basteln eines Adventskranzes mit Kerzen, die an den letzten drei Wochenenden nach und nach entzündet wurden und so von der Ankunft der Feiertage zeugen.
Mittwoch, 19. November 2014
Animismus
Die uns umgebenden Entitäten zu personifizieren scheint mir ein grundlegendes menschliches Charakteristikum. Sonne und Mond zu grüssen, Pflanzen und Plüschtieren einen Namen zu geben, den Genius Loci zu ehren oder Tiere als Botschafter anderer Wesenheiten zu behandeln, sind meine Wege diesem Bedürfnis entgegen zu kommen. Die Bewertung dieser Handlungen mag von unvernünftig bis albern reichen. Persönlich glaube ich allerdings, dass die Behandlung der Umwelt als beseelt zu einem respektvolleren Umgang mit ihr führt.
Montag, 17. November 2014
Tieropfer
Mich irritiert die Rechtfertigung von Tieropfern über das Argument, dass die essbaren Teile des Tieres verwertet würden. Ich kann nachvollziehen, dass aus der Perspektive einer Person, die ausserhalb des religiösen Kontexts steht, in dem das Tieropfer stattfindet, der spätere Verzehr des Fleisches der Opferung des Tieres einen Sinn vermittelt. Soweit ich dies beurteilen kann, handelt es sich bei Tieropfern jedoch nicht nur um rituelle Schlachtungen; der pragmatische Aspekt des Verspeisens ist allenfalls ein Nebenschauplatz. Die Praktik wird somit nicht aufgrund ihrer eigentlichen Ziele verteidigt, sondern ausserhalb ihres eigenen Diskurses im Rückgriff auf arbiträre Faktoren. Impliziert wird dabei, dass Tieropfer ohne späteren Verzehr weniger gerechtfertigt seien.
Ich kann die grundsätzliche Kritik an der Tötung von Tieren nachvollziehen. Vorausgesetzt, dass diese jedoch gebilligt wird, warum soll die Bewertung von Tieropfern von ihrem späteren Konsum abhängen?
Freitag, 14. November 2014
Ahnen
Dass ich heute hier stehe, verdanke ich meinen Ahnen. Eine unvorstellbar lange Kette von Vormüttern und Vorvättern hat zu meiner Geburt geführt. Sie reicht zurück bis zum ersten Organismus der in der Ursuppe schwabberte und verbindet mich mit allen Lebewesen, die ihren Familienstammbaum auf dieses Ursuppenwesen zurückführen können. Meine Ahnen sind jedoch weit mehr als nur meine biologischen Vorfahren: Das Streben, Kämpfen und Träumen der Menschen, die vor mir lebten, hat meine Sicht auf die Welt geprägt und meine Möglichkeiten, mich in ihr zu bewegen, geformt. Und so wird auch mein Handeln das Weltbild und den Spielraum derjenigen prägen, die nach mir kommen.
Montag, 3. November 2014
Samhain
Nebel umhüllt
die zunehmend kahleren Bäume, ihr Laub raschelt um meine Füsse. Die Morgen sind
kalt, die dunkle Jahreszeit ist hier. Zeit im Ofen wieder Feuer zu entfachen,
Zeit zum Rückzug in beheizte Wohnräume, Zeit sich Zeit zu nehmen.
Dienstag, 14. Oktober 2014
Zwei Tassen
Mittwoch, 8. Oktober 2014
Religiöse Weltsicht: Shit works
Ob ein Aussenstehender
Göttern eine reelle Existenz zuschreibt oder in rituellen Handlungen den selben
Sinn zu erkennen vermag, kann dem religiösen Praktizierenden ziemlich egal
sein. Er benötigt keine wissenschaftliche Beweise, weil er die Bestätigung in
sich selbst findet. Er erlebt das göttliche Wirken, er sieht die Wirksamkeit
der Magie in seinem Leben. Die phänomenologische oder pragmatische Sichtweise
benötigt keine über das unmittelbare Erleben hinausgehenden Erklärungen. Wozu
auch, wenn’s funktioniert?
Dienstag, 7. Oktober 2014
Religiöse Weltsicht: Mittel zum Zweck
Die Chaosmagie vertritt das
Konzept „belive as a tool“: Je nach Bedarf arbeitet die Chaosmagierin mit
unterschiedlichen Modellen der Weltbetrachtung. In einem Ritual mag sie Geister
zur Hilfe rufen, im nächsten eine quasi-wissenschaftliche Weltsicht adoptieren.
Der Glaube an Geister dient als Werkzeug zur Erreichung eines bestimmten Ziels,
wird im Moment seiner Praktizierung jedoch nicht weniger überzeugt vertreten
als zu einem anderen Zeitpunkt die wissenschaftliche Weltsicht.
Mich erinnert diese Idee an
ein Konzept von Samuel Taylor Coleridge mit dem erklärt wird, weshalb der Leser
zum Beispiel bei einer Geschichte über sprechende Igel diese Erzählung zu geniessen vermag,
statt das Buch empört in eine Ecke zu pfeffern, weil Igel doch gar nicht
sprechen können. „Willing suspense of disbelief“ scheint mir auch auf die
religiöse Praxis anwendbar.
Montag, 6. Oktober 2014
Religiöse Weltsicht: Schlaglichter
Blinde befühlen einen
Elefanten und versuchen ihn aufgrund ihrer Sinneswahrnehmungen zu beschreiben:
„wie fette Baumstämme.“ meint jener, der an die Beine gelangte, „wie eine sich
windende Schlange“ scheint es dem, der an den Rüssel streichelt. Die asiatische
Erzählung scheint mir eine treffende Metapher für unsere Weltsicht. Auch wenn
verschiedene Erlebnisse und Ergebnisse unvereinbar scheinen, müssen sie das
nicht sein. Weder der Befühler der Elefantenbeine, noch der des Rüssels besitzt
die ab- und ausschliessende Wahrheit, man könnte noch nicht einmal behaupten
einer der beiden läge näher an der Wirklichkeit. Auch wenn die unterschiedlichen
Sichtweisen kontradiktorisch scheinen, brauchen sie nicht durch ein
entweder-oder entschieden zu werden, sie sind Schlaglichter auf verschiedene
Aspekte derselben Wirklichkeit.
Sonntag, 5. Oktober 2014
Religiöse Weltsicht: Naturwissenschaft
Wie gehe ich als religiöse Person mit der
naturwissenschaftlichen Sicht auf die Welt um?
Eine Möglichkeit ist die
begrüssende Umarmung, beispielsweise über das Staunen, welches biologische,
chemische oder physikalische Vorgänge trotz ihrer scheinbaren Entzauberung
durch die naturwissenschaftlichen Disziplinen auszulösen vermögen. Dass wir um
die Prozesse wissen, welche den Funken neuen Lebens entzünden und exakt
beschreiben können, wie es heranwächst, beraubt mich nicht der Faszination. Im
Gegenteil, die Biologie erlaubt mir mich noch tiefer in das Wunder des
entstehenden Lebens zu versenken. Die Zusammenhänge besser zu verstehen,
bedeutet die Grenzen dieses Wunders auszudehnen.
Samstag, 4. Oktober 2014
Pflanzen erkennen
Pflanzen zu erkennen, hat
meine Wahrnehmung der Natur verändert. Ich sehe nicht mehr dicht bewucherte
Flussufer, sondern den invasiven Neophyten Knöterich. Die Sträucher mit den
weissen Blütendolden und später dunklen Beeren sind nicht einfach hübsche
Büsche sondern Manifestationen der holden Holda.
Sonntag, 21. September 2014
Herbst Tagundnachtgleiche
Die ersten
Blätter verfärben sich, rote Beeren prangen an den Büschen und mein Tisch ist
reich bedeckt mit Früchten. Der deutlichste Ausdruck des Herbstbeginns scheint
mir jedoch die Dunkelheit, die mich morgens beim Aufstehen umhüllt.
Meine Saat des
Frühlings ist aufgegangen, ich bin dankbar für die reiche Ernte.
Samstag, 20. September 2014
Pseudogeschichte
Ich verstehe, dass nicht jeder Neuheide die Möglichkeit (und das Interesse) hat jede Idee auf ihre wissenschaftliche Stichhaltigkeit zu prüfen. Und selbst wenn, schützt dies nicht vor Fehlinformation: Beispielsweise entstammte die Vorstellung akademischen Kreisen, der Hexenverfolgung läge der Kampf gegen eine heidnische Hexenreligion zugrunde.
Ich verstehe, dass gewisse pseudohistorische Vorstellungen „empowering“ wirken können, aber natürlich nur solange sie nicht in Frage gestellt werden. Wenn z.B. enthüllt wird, dass Wicca nicht auf eine ungebrochene Tradition bis in die Anfänge der Menschheit (oder doch wenigstens einige tausend Jahre weit) zurück geht, sondern 1950 erfunden wurde, ist das nicht nur ein willkommener Angriffspunkt für Kritiker, sondern mag auch bei der Wicca-Anhängerin selbst grundsätzliche Zweifel hervorrufen.
Mir scheinen pseudogeschichtliche Vorstellungen für das Verständnis vergangener Zeitalter abträglich; sie berauben uns tieferer Einsichten. Es gibt Aspekte der alten Lebenswelt, die aus der heutigen Perspektive nicht reproduktionswürdig erscheinen, deshalb brauchen sie als geschichtliche Realität nicht verleugnet zu werden. Neben der Trübung unseres Blicks auf die Vergangenheit mögen Projektionen heutiger Vorstellungen in die graue Vorzeit auch unser gesellschaftliches Innovationsvermögen beeinträchtigen, weil kontingente Inhalte durch pseudohistorische Legitimierungsstrategien zementiert werden.
Freitag, 19. September 2014
Quellen und Einflüsse
Donnerstag, 18. September 2014
Quellen und Widersprüche
Gottheiten die über einen grossen Zeitraum in einer weiten räumlichen Verbreitung geehrt wurden, haben viele verschiedene Facetten angesammelt. Natürlich ist es schön, wenn wir eine breite Quellenlage haben, aber wie gehen wir mit unvereinbaren Informationen um? Als Beispiel: Frau Holle führt je nach Region das wilde Heer an, zum Teil besteht dieses Heer ausschliesslich aus Frauen oder aber, sie wird von einer Schar gestorbener Kinder umgeben. Für eine Vermischung der drei Gruppen gibt es keine Zeugnisse, welcher Ansicht schliessen wir uns also an?
Montag, 15. September 2014
Opfer und ihre Entsorgung
Wenn ich in der freien Natur
Opfergaben darbringe, sind sie oft schon am nächsten Tag verschwunden. Doch
braucht mich auch ihr Liegenbleiben nicht zu bekümmern, da Mutter Natur sich
den organischen Substanzen annimmt und sie zu ihrem Nutzen wandelt. In
geschlossenen Räumen verschwinden dargereichte Opfergaben in der Regel nicht
über Nacht. Wie geht man damit um?
Ein Spaziergang in den Wald
oder zum garteneigenen Komposthaufen sind Möglichkeiten die materiellen
Überreste des göttlichen Festessens weiter zu schenken. Der Mülleimer scheint
mir zumindest für frische Speisen eine dekadente letzte Ruhestätte. Hier ziehe
ich das hinduistische Konzept des Prasad vor: das feststoffliche Verbleibende
wird nach dem Mahl der Götter von den Menschen als gesegnete Speise verzehrt.
Sonntag, 14. September 2014
Opfer und Dankbarkeit
Als Mitglied einer
Überflussgesellschaft überkommen mich gelegentlich Wogen der Dankbarkeit. Das
Opfer ist für mich ein Weg ihnen Ausdruck zu verleihen. Neben der Dankbarkeit für
einen gesättigten Bauch, liebende Mitmenschen, ein schützendes Dach oder Zugang
zu Wissen, ergeben sich auch konkretere Anlässe; wenn ich mich zum Beispiel von
speziell glücklichen Umständen gesegnet sehe oder eine Bitte erhört wurde. Das
Teilen meines Glücks durch Dankesopfergaben vervielfacht es.
Freitag, 12. September 2014
Sakraler Alltag
Es scheint mir immer
schwieriger zwischen sakralen und profanen Aspekten meines Alltags zu
unterscheiden. Natürlich gibt es Momente, die eindeutiger als sakral erkennbar
sind, zum Beispiel wenn ich eine Opfergabe darbringe oder meinen Wissensdurst
im religiösen Bereich stille. Jedoch erhalten nach und nach zuvor profane
Beschäftigungen eine religiöse Bedeutung: Beim Gärtnern staune ich über das
Mysterium des aus einem Samen spriessenden Pflänzchens, beim Basteln werde ich
zum Kanal kosmischer Eingebungen und beim Tanzen hüpfen Götter und Geister mit
mir.
Donnerstag, 11. September 2014
Horizonterweiterung
Ich erlebe Reisen als
Horizonterweiterung, nicht nur in einem physikalischen, sondern auch in einem
metaphysischen Sinn. Der Ausbruch aus dem Alltag ermöglicht eine neue
Perspektive auf die Welt, aber auch auf das selbst, wo durch das Wegfallen alter
Muster die eigenen blinden Winkel aufgedeckt werden. Reisen führen aus der
Komfortzone heraus und fordern damit zum Überdenken bisheriger
Selbstverständlichkeiten auf. Probleme können nicht länger in den erprobten
Bahnen umgangen werden, so dass die fehlende Rückzugsmöglichkeit zur
Veränderungsnotwendigkeit führt. Die neuen äusseren Einflüsse bewirken eine
Neuordnung des Innenlebens.
Mittwoch, 11. Juni 2014
Reisen ohne Plan
In wenigen Tagen starte ich
zu einer Reise, die drei Monate dauern soll. Die Liste der Destinationen
ist lang, doch wo ich beginne und in welcher Reihenfolge ich sie besuche bleibt
offen. Am Tag des Aufbruchs werde ich vermittels eines Dartpfeils und einer Europakarte die erste
Etappe oder zumindest die Reiserichtung ermitteln und mich von dort an treiben
lassen. Diese Art des Reisens lädt ein den Moment auszukosten, auf die Umgebung
wie auch meine Wünsche einzugehen. Ich plane die Blumen am Wegrand zu entdecken
und zu pflücken, sie säumen jeden Weg.
Dienstag, 10. Juni 2014
Von Altären
In meinem Zuhause stehen zurzeit
sieben verschiedene Altäre, teils bestimmten Göttern, Geistern oder Konzepten
gewidmet, teils von allgemeiner Natur. Als Fokuspunkte religiöser, wie auch
alltäglicher Unterfangen leisten sie mir grosse Dienste. Über sie wird die
Interaktion mit entsprechenden Entitäten wesentlich konkreter, so bringe ich
auf ihnen zum Beispiel kleine Opfergaben dar.
Über das immer wieder neue
Herrichten, die Veränderung der dekorativen Elemente, kann ich den Wandel in
mir und um mich herum zum Ausdruck bringen. Dabei finden auch scheinbar
weltliche Artefakte, wie Kinderspielzeug ihren Platz, sofern sie für mein
Empfinden eine entsprechende Bedeutung in
sich tragen oder mit einer solchen versehen werden sollen.
Mittwoch, 4. Juni 2014
Ethnizistische Exklusivität
In meinem Denken spielt Abstammung keine Rolle, doch es irritiert mich, dass ethnizistische Exklusivität indigenen Minoritäten zugestanden wird, während neuheidnischen Gruppen mit europäischer Ausrichtung beargwöhnt werden, sofern diese Wert auf eine spezifische Herkunft ihrer Mitglieder legen. Die kulturelle Selbstbestimmung umfasst das Recht einer Gruppe selbst bestimmen zu dürfen, wen sie in ihre Gruppe aufnimmt. Die Kriterien dieser Aufnahme mögen für Aussenstehende absurd wirken, das scheint mir kein angemessener Grund sie zu verurteilen.
Dienstag, 27. Mai 2014
Cultural Appropriation
Ist es berechtigt, dass Kultur A. sich darüber beklagt, wenn Personen oder Gruppen aus Kultur B. Elemente aus der A-Kultur übernehmen? Ich kann die Bedenken von Kultur A. nachvollziehen, sie mag sich falsch repräsentiert sehen und um ihre kulturelle Eigenständigkeit fürchten. Mir scheint der Vorwurf von Kultur A. beruht auf einem Anspruch auf kulturelle Selbstbestimmung. Doch diese sollten sie fairerweise auch Kultur B. zugestehen und ich glaube, dass kulturelle Selbstbestimmung auch das Recht umfasst, sich nicht vorschreiben lassen zu müssen, welche Elemente man aus anderen Kulturen übernehmen darf oder wie man sie zu interpretieren hat.
Montag, 26. Mai 2014
Religiöse Architektur
Manche lassen sich ein vollständig geliefertes Fertigbauhaus errichten, andere orientieren sich an einer bestimmten Stilrichtung oder vermischen historische Vorbilder um sie durch Eigenkreationen zu ergänzen. Alle drei Wege können zu hübschen, wohnlichen Häusern führen. Je nach Präferenz des Hauseigentümers passt die eine oder andere Bauart besser. Wie das Haus dem Bewohner, sollte meiner Meinung nach auch die Religion dem Praktizierenden angemessen sein.
Sonntag, 25. Mai 2014
Zeichen sehen
Wir sind auf das Erkennen von Symbolen und Mustern trainiert und vermögen ihnen in zweierlei Hinsicht Bedeutung zuzuschreiben; in ihrer Bedeutsamkeit und in ihrem Sinn. Ein Alltagsbeispiel zur Illustration: B. hat schon wieder ihre Teetasse stehen lassen. Entweder ärgert sich ihre Partnerin A. über deren Unordentlichkeit, wie das sonst auch tut. Oder A. beschliesst, das Fass sei voll und es wäre besser getrennte Wege zu gehen. Im zweiten Fall interpretiert A. das liegengebliebene Geschirr als über den konkreten Vorfall hinausweisend, sie sieht die Tasse als Zeichen. Das sehen von Zeichen und die Zumessung von Bedeutung scheint mir nicht nur im Alltag berechtigt, sonder umso mehr auf einem religiösen Weg, der fundamental auf der individuellen Weltsicht aufbaut.
Samstag, 24. Mai 2014
Rationalisierter Glauben
Ich schätze Rationalität im alltäglichen Leben sehr. Wo es jedoch um Glaubensangelegenheiten geht, scheint sie mir die Grenzen ihrer Brauchbarkeit zu erreichen. Statt das Gedankengetümmel zu strukturieren, bewölkt sie die Sicht. Rationalisierungsversuche limitieren die Offenheit für das Unbekannte.
Donnerstag, 15. Mai 2014
Von Menschen und Göttern
Ich sehe Gottheiten als von
Menschen geschaffene Symbole. Sie verkörpern Inhalte in der Form einer Person mit
der wir interagieren können, weil das ein wirkungsvoller Weg ist diese
abstrakten Inhalte erfahrbar zu machen. Für mich steht diese Sichtweise nicht
im Widerspruch zu Handlungen, welche Gottheiten zu unterstellen scheint sie
seien von uns unabhängige Entitäten. Diese Perspektive ist für mich ein
Werkzeug um mit besagten Symbolen zu arbeiten.
Mittwoch, 14. Mai 2014
Vom Mondzyklus
Die Wissenschaft vermag
keinen direkten Einfluss des Mondzyklus auf den Menschen festzustellen. Mich
kümmert das nicht, wenn ich den Voll- oder Neumond feiere. Für mich ist der
Vollmond Anlass, nicht Grund der Feier.
Die in neuheidnischen
Kreisen beliebten Motive zur Illustration des Einflusses des Mondzyklus
spiegeln sich in meinen Ritualen wieder. Zum Beispiel die Assoziation des
Vollmonds mit Überfluss, Überschwang und Schwung. Ich integriere diese Motive
in meine Vollmondfeier, weil ich sie für Bestandteile meines Lebens halte,
unabhängig davon wie viel Sonnenlicht der Mond gerade reflektiert. Der Vollmond
ist für mich ein Anlass diese Bestandteile zu würdigen, ihnen Ausdruck zu
verleihen oder über ihre Integration in meinen Alltag nachzudenken.
Dienstag, 13. Mai 2014
Memento moriendum
Am liebsten würde ich ewig
leben, um all die spannenden Bücher zu lesen, welche noch verborgen und
verstaubt auf ihre Entdeckung warten, um jeden Winkel der Erde zu erkunden, all
die atemberaubenden Landschaften und all die faszinierenden Kulturen, welche
sie bevölkern. Das unumgängliche Ende meiner Erforschung der Welt hält mich an,
diese voranzutreiben und Prioritäten festzulegen, welche den Strom meines
Lebens lenken. Der Tod ist mein grosser Motivator.
Montag, 12. Mai 2014
Pagane Ikonen
Wissenschaftliche
Beschreibungen der historischen Göttervorstellungen mögen sehr erhellend sein,
doch sie scheinen mir nicht unbedingt der beste Weg, eine persönliche
Beziehung zu einer bestimmten Gottheit aufzubauen. Bilder können in dieser
Hinsicht einen wertvollen Beitrag leisten. Über Bilder finde ich einen
unmittelbareren Zugang, sie sind eine direkte Einladung an meine Phantasie.
Wem wie mir am
künstlerischen Ausdruck liegt, lege ich das eigenhändige Schaffen paganer Ikonen
ans Herz. Zur Inspiration dienen mir historische und zeitgenössischen
Darstellungen, die mich ansprechen, wie in diesem Fall Baron Samedis
Verkörperung in Live and Let Die.
Sonntag, 11. Mai 2014
Muttertag
In meiner Familie feiern wir
Muttertag und ich schätze dies sehr. Seit ich aus dem Elternhaus ausgeflogen bin
und eine gewisse Autonomie entwickeln konnte, hat sich das Verhältnis zu meiner
Mutter verändert. Der Muttertag erinnert mich jedes Jahr daran, wie es früher
war. Daran, dass diese Frau neben einem geliebten Familienmitglied auch meine
Mutter ist, die mich aufzog und mit Liebe nährte, die mich behütete und mir
Platz zum Wachsen gab.
Dienstag, 6. Mai 2014
Vom Bedürfnis nach Ritualen
Ich mochte Feiertage und das
zugehörige Brimborium schon immer gerne, doch vor einigen Jahren überkam mich
plötzlich das dringende Bedürfnis nach persönlichen Ritualen. Ich wollte aus
dem Alltag heraustreten, in einen Raum und eine Zeit ausserhalb unserer Zeit
und unseres Raums, mir verlangte nach Anerkennung und Würdigung dessen was mich
umgibt und meiner selbst. Mich dürstete nach Loslösung und Verbindung. Ich
befand mich gerade mitten in der Prüfungsvorbereitung und versuchte den
Gedanken auf die Wartebank zu verweisen, doch er hatte sich bereits entflammt,
brannte bald lichterloh. Erinnerungen an die Rituale meiner Kindheit, aus
Filmen und meiner Erforschung verschiedener Religionen sprudelten hoch und
trübten meine Konzentration bis ich meinen Widerstand schliesslich aufgab. Ich gab
mich meinem Bedürfnis hin.
Sonntag, 4. Mai 2014
Von Erde und Erdung
Wenn ich an meinem Gärtchen
arbeite, vergesse die Zeit und mich selbst. Ich finde es eine sehr sinnliche
Tätigkeit mit den Händen in der Erde zu wühlen, die Fingern bis unter die
Wurzel des Unkrauts zu bohren, feste Brocken zu zerbröseln, ans Tageslicht
beförderte Steine wie verborgene Schätze zu behandeln, verschiedene Erden zu
mischen und Erdlandschaften entsprechend den Anforderungen der auszuwildernden
Pflänzchen zu schaffen. Wenn ich von meinem Gärtchen in den Alltag zurückkehre,
fühle ich mich geerdet.
Samstag, 3. Mai 2014
Von Blumen im Haus
Ich liebe frische
Schnittblumen in meinem Haus. Ich liebe es sie auf einer Wiese zu pflücken
oder aus dem überwältigenden Angebot an unserem Marktstand auszuwählen, ich
liebe es sie zu arrangieren, ihrem Erblühen und Verwelken
zuzusehen, in ihrer Fülle zu schwelgen. Blumen bringen die Wunder der Natur in
mein Zuhause. Nicht nur in ihrer berauschenden Schönheit, auch durch ihr
Vergehen, das mir den Zyklus von Leben und Tod vor Augen führt. Gleichzeitig
ermöglicht ihre befristete Blüte Veränderung; neue Farbkombinationen, andere
Sorten. Vermittels saisonaler Blumen finde ich die Jahreszeiten in den eigenen
vier Wänden wieder.
Freitag, 2. Mai 2014
Spielraum schaffen
Wie schafft sich die
Spielerin Spielraum?
Zunächst nimmt sie sich etwas
Zeit und Raum, sei das ein Jahr der Auszeit oder fünf Minuten mitten im Tag,
sei es ihr privates Arbeitszimmer oder ein gedanklicher Freiraum. FREIHEIT wird
im Spielraum gross geschrieben. Die Spielerin klebt dem inneren Kritiker ein
Stück Klebstreifen über den Mund und ist frei zu experimentieren, zu spielen,
kreativ und vielleicht sogar kindisch zu sein, wenn ihr danach ist. Wonach ihr
ist, ist das einzige Gesetz.
Donnerstag, 1. Mai 2014
Walpurgisnacht
Die Wolkendecke der letzten
Tage liess nur vereinzelte Sonnenstrahlen durchbrechen, doch vermochte sie
nicht darüber hinweg zu täuschen, dass der Sommer kommt. Die Pfingstrose, welche wir zu dieser Zeit auf dem Markt verkaufen, zeigt den
Überfluss, wie wir ihn auch in der Natur wiederfinden. Die Pfingstrosen in
meinem Garten zeigen zwar erst ihre zum Platzen prall gefüllten Knospen, doch
haben sich die Bäume bereits – wie eine Bekannte dies poetisch formulierte –
zur heiligen Hochzeit den grünen Schleier umgelegt.
Mittwoch, 30. April 2014
Three-fold Law
Was du aussendest, kommt dreifach zurück. So könnte man das Three-fold Law formulieren. Zunächst scheint es mir eine nette ethische Richtlinie, weil es Handeln als direkter Einflussfaktor auf das eigene Wohlbefinden charakterisiert. Das verleiht dem ethisch korrekten Verhalten eine enorme Dringlichkeit: Es wäre irrational einem Anderen zu schaden, da man sich selbst damit dreifach schädigt. Wäre es nicht schön ethische Prinzipien zu haben, welche mit dem persönlichen Streben zusammenfallen?
Aus meiner Sicht ergibt es wenig
Sinn, dass Ausgesendetes dreifach zurück kommt. Die dreifache Ausführung
scheint mir zwar sehr eindrücklich, aber intellektuell nicht besonders
überzeugend; Wie mag dies gemessen werden? Ist das ein Durchschnittswert?
Wodurch wird die wundersame Vermehrung angetrieben?
Der Grundgedanken des
Widerschallens des Herausgetragenens gefällt mir und ich halte ihn für
Alltagstauglich; Natürlich werden mir meine Mitmenschen insgesamt freundlicher
begegnen, wenn ich eine entsprechende Umgangsart pflege. Und ebenso wirkt die
Welt düster und feindselig für denjenigen, dessen Kopf in dunklen Wolken
steckt. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Eine Welt allerdings, in der jede
Tat mit ihresgleichen (dreifach) vergolten wird, scheint vielleicht fair, aber nicht
wirklich realistisch.
Dienstag, 29. April 2014
An it harm none, do as ye will
Die berühmte Zeile wird gerne als ethischer Ratschlag beigezogen. Mir scheint wichtig anzumerken, dass dieser Satz eine sehr begrenzte Aussagekraft hat. Neben dem nicht genauer definierten Schadensbegriff und der Unklarheit darüber, wer sich als potenzielles Opfer qualifiziert, liegt dies am Bezugsrahmen der Aussage wenn es niemandem schadet, tue was du willst. Sie beratet in einer Situation, in der die beabsichtigte Handlung niemandem schadet. Über den Fall, in welchem jemand Schaden davon tragen würde, kann daraus keine Handlungsrichtlinie abgelesen werden. Ich versuche dies an einem Beispiel von logisch gleichartiger Struktur zu erläutern: Wenn am Mittwoch die Sonne scheint, feiern wir unter freiem Himmel. Was passiert, wenn dicke Wolken übers Land treiben, wird hier nicht gesagt. Vielleicht feiern wir trotzdem draussen. In dieser textnahen Interpretation stimme ich der Wiccan Rede absolut zu; natürlich sollen die Menschen tun was sie wollen, wenn dies niemandem schadet. Ich kann Schlussfolgerungen der Art schade niemandem! zwar nachvollziehen, aber es scheint mir alles Andere als selbstverständlich, dass sich dies aus der Titelzeile ableiten liesse.
Montag, 28. April 2014
Kreativität in der Küche
Ich koche fast jeden Tag, oft zweimal. Gesundheitliche , ökologische und finanzielle Überlegungen stehen für mich beim Zubereiten frischer Speisen im Hintergrund. Meine Motivation dazu entspringt in erster Linie dem Vergnügen beim Kochen und Essen. Kochen hat für mich viel mit anderen künstlerischen Tätigkeiten gemeinsam; die kreative Kombination verschiedener Elemente zu einem neuen Werk, die Möglichkeit sich auszudrücken und schöpferisch tätig zu sein. Schon beim Verfassen der Einkaufsliste erblühen Ideen für die unterschiedlichsten Gerichte, die kreativsten Eingebungen habe ich allerdings, wenn ich vor dem quasi leeren Kühlschrank stehe und die wenigen Reste in etwas geschmacklich ansprechendes zu verwandeln versuche. ich brauche wahrscheinlich nicht zu erwähnen, dass ich selten geschriebenen Rezepten folge; Handgelenk mal Pi ist meine Devise in der Küche. Als wäre die Freude der Kochidee und der sensuelle Reiz bei der Verarbeitung der Zutaten nicht Belohnung genug, lässt sich mein Kunstwerk nach seiner Fertigstellung ganz konkret geniessen.
Sonntag, 27. April 2014
"Die Alte Religion"
Was haben heutige Hexen mit
den Opfern der Hexenverbrennungen gemeinsam?
Kaum etwas ausser dem Namen. Die Berufung auf eine
Urreligion, die sich in den Anfängen der Menschheitsgeschichte verliert, ist
eine Legitimierungsstrategie die Wicca in den Anfängen prägte. Aus
religionswissenschaftlicher Sicht haben wir es mit einer Neuen Religion zu tun.
Eine Gesprächspartnerin gab mir zu bedenken: Auch die modernen Freikirchen
berufen sich auf etwas Altes. „Die Alte Religion“ kann sich auf Vergangenes
beziehen ohne ihre zwangsläufig zeitgenössische Interpretation abzustreiten.
Freitag, 25. April 2014
Vom Überfluss und Geschenken
Wenn ich Backe, mische ich
gerne die doppelte Menge an Teig an und verschenke den Überfluss. Für mich ein
kleiner Mehraufwand. Schmecken geschenkte Zuwendungen nicht am Besten?
Donnerstag, 24. April 2014
Ostern
Zu Ostern gehören in meiner
Familie zwei Traditionen; ein Brunch mit all den speziell für diesen Feiertag
reservierten Köstlichkeiten meiner Mutter, wie Lachsmus, Spargelterrine und
Häschen aus Zopfteig. Anschliessend geht es in den Garten zur Körbchensuche; für
jedes Familienmitglied wartet ein kleines Geschenk mit seinem Namen unter einem
Busch.
Fundstücke
Auf Spaziergängen, Reisen
und Ausflügen nehme ich mir etwas Zeit um den Ort zu erkunden. Dabei stosse ich
immer wieder auf kleine Fundstücke, seien das schöne Steine, verlassene
Schneckenhäuser oder kunstvoll geformte Samenkapseln. Ich arrangiere sie an Ort
und Stelle oder nehme sie mit nachhause, wo sie ein temporäres Daheim auf
meinem Altar finden. Später packe ich sie in eine Erinnerungsschachtel oder
ermögliche ihnen einen anderen Ort zu verschönern. Meine Fundstücke verbinden
mich mit dem Ort ihrer Herkunft, bei ihrer Entdeckung, wie auch bei jedem Wiederentdecken.
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