Samstag, 31. Oktober 2015

"Naturreligion"


Meine Abneigung gegen die Bezeichnung des Neuheidentums als "Naturreligion" entspringt verschiedenen Überlegungsansätzen.
Zunächst scheint mir der Naturbegriff aus Philosophischer Perspektive grundlegend problematisch: Was ist Natur? Wogegen grenzen wir das damit Bezeichnete ab? Die Landschaft in unseren Breitengraden ist stark kulturell geformt, unberührte Natur gibt es hier nicht. Aber nicht nur die Natur ist kulturell geformt, sondern auch unsere Wahrnehmung: Wenn wir zum Beispiel von der Mondin und ihrer Verbindung zum Element Wasser oder dem Weiblichen sprechen, ist das nicht eine "natürliche" Sichtweise.
Während in vielen Strömungen des Neuheidentums der Bezug auf die Natur von grosser Wichtigkeit ist, gilt dies doch längst nicht für alle Traditionen. Meines Erachtens vernachlässigt die Kategorisierung als Naturreligion neuheidnische Ansätze die stärker rekonstruktionistisch, psychologisch oder urban ausgerichtet sind. 
Unter dem Oberbegriff Naturreligion werden ausser dem westlichen Neuheidentum auch afrikanische Kulte und südamerikanischer Schamanismus verortet, was mir viel zu undifferenziert scheint, als dass die Kategorie von Nützlichkeit sein könnte. Darüber hinaus romantisiert die Bezeichnung in problematischer Weise; implizit wird unterstellt, dass diese religiösen Phänomene der Natur näher stünden oder gar natürlicher wären, was den Blick auf ihre kulturelle Komplexität verschleiert. Gerade für aussereuropäische Religionen scheint mir dieser Ausdruck leicht zur Projektionsfläche unserer Vorstellung von edlen Wilden zu werden.

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Ahnen

Ahnen, ich ehre euch.
Ich ehre diejenigen, die vor mir auf diesem Weg gegangen sind.

Ahnen, ich danke euch,
für die Pfade, die ihr ins Dickicht der Zeit geschlagen habt.
Pfade auf denen auch ich heute gehe.

Ahnen, ich ehre euch.
Ich ehre diejenigen, die vor mir auf diesem Weg gegangen sind.
Ich ehre diejenigen, die deutliche Fussabdrücke hinterlassen haben.
Ich ehre diejenigen, deren Spuren vom Lauf der Zeit verwischt worden sind.

Ahnen, ich ehre euch.
Ich ehre die Feuerräuberinnen, die Fackelträger,
die Beschützerinnen der Herdfeuer,
ich ehre diejenige, die mit dem Feuer spielen,
ich ehre die Erleuchteten.

Ahnen, ich ehre euch.
ich gedenke der Seen von Tränen, die ihr geweint habt,
der Ströme von Blut, die ihr vergossen habt,
ich gedenke den Sturzbächen der Lust in euren Schössen,
und den Flüssen von süsser Milch, die euch nährte.

Ahnen, ich ehre euch.
Mutter Erde, ich ehre dich,
in deren Körper meine Ahnen ihre Pfade pflügten,
Pfade auf denen ich heute gehe,
bis auch mein Körper wieder zu Erde wird.

Ahnen, ich ehre euch.
Ich gedenke dem Wispern im Wind, der Stimmung in der Luft,
der Inspiration auf leisen Schwingen.
Ahnen, ich gedenke euch.
Möge mein Gebet für Verbindung sorgen.