Dienstag, 14. Oktober 2014

Zwei Tassen


Wenn ich meinen morgendlichen Tee zubereite, schenke ich zwei Tassen ein. Eine davon stelle ich auf meinen Altar, die Tasse des Vortags giesse ich mit Worten des Danks auf die Erde vor meiner Haustür. Mein Teeritual sehe ich als einen einfachen Weg Religion in meine Morgenroutine einzubinden. Mit der zweiten Tasse gedenke ich dem was über meine Person hinausgeht, seien es die Geister des Ortes, Ahnen oder Götter.

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Religiöse Weltsicht: Shit works




Ob ein Aussenstehender Göttern eine reelle Existenz zuschreibt oder in rituellen Handlungen den selben Sinn zu erkennen vermag, kann dem religiösen Praktizierenden ziemlich egal sein. Er benötigt keine wissenschaftliche Beweise, weil er die Bestätigung in sich selbst findet. Er erlebt das göttliche Wirken, er sieht die Wirksamkeit der Magie in seinem Leben. Die phänomenologische oder pragmatische Sichtweise benötigt keine über das unmittelbare Erleben hinausgehenden Erklärungen. Wozu auch, wenn’s funktioniert?

Dienstag, 7. Oktober 2014

Religiöse Weltsicht: Mittel zum Zweck


Die Chaosmagie vertritt das Konzept „belive as a tool“: Je nach Bedarf arbeitet die Chaosmagierin mit unterschiedlichen Modellen der Weltbetrachtung. In einem Ritual mag sie Geister zur Hilfe rufen, im nächsten eine quasi-wissenschaftliche Weltsicht adoptieren. Der Glaube an Geister dient als Werkzeug zur Erreichung eines bestimmten Ziels, wird im Moment seiner Praktizierung jedoch nicht weniger überzeugt vertreten als zu einem anderen Zeitpunkt die wissenschaftliche Weltsicht.
Mich erinnert diese Idee an ein Konzept von Samuel Taylor Coleridge mit dem erklärt wird, weshalb der Leser zum Beispiel bei einer Geschichte über sprechende Igel diese Erzählung zu geniessen vermag, statt das Buch empört in eine Ecke zu pfeffern, weil Igel doch gar nicht sprechen können. „Willing suspense of disbelief“ scheint mir auch auf die religiöse Praxis anwendbar.

Montag, 6. Oktober 2014

Religiöse Weltsicht: Schlaglichter



Blinde befühlen einen Elefanten und versuchen ihn aufgrund ihrer Sinneswahrnehmungen zu beschreiben: „wie fette Baumstämme.“ meint jener, der an die Beine gelangte, „wie eine sich windende Schlange“ scheint es dem, der an den Rüssel streichelt. Die asiatische Erzählung scheint mir eine treffende Metapher für unsere Weltsicht. Auch wenn verschiedene Erlebnisse und Ergebnisse unvereinbar scheinen, müssen sie das nicht sein. Weder der Befühler der Elefantenbeine, noch der des Rüssels besitzt die ab- und ausschliessende Wahrheit, man könnte noch nicht einmal behaupten einer der beiden läge näher an der Wirklichkeit. Auch wenn die unterschiedlichen Sichtweisen kontradiktorisch scheinen, brauchen sie nicht durch ein entweder-oder entschieden zu werden, sie sind Schlaglichter auf verschiedene Aspekte derselben Wirklichkeit.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Religiöse Weltsicht: Naturwissenschaft



Wie gehe ich als religiöse Person mit der naturwissenschaftlichen Sicht auf die Welt um?
Eine Möglichkeit ist die begrüssende Umarmung, beispielsweise über das Staunen, welches biologische, chemische oder physikalische Vorgänge trotz ihrer scheinbaren Entzauberung durch die naturwissenschaftlichen Disziplinen auszulösen vermögen. Dass wir um die Prozesse wissen, welche den Funken neuen Lebens entzünden und exakt beschreiben können, wie es heranwächst, beraubt mich nicht der Faszination. Im Gegenteil, die Biologie erlaubt mir mich noch tiefer in das Wunder des entstehenden Lebens zu versenken. Die Zusammenhänge besser zu verstehen, bedeutet die Grenzen dieses Wunders auszudehnen.

Samstag, 4. Oktober 2014

Pflanzen erkennen





Pflanzen zu erkennen, hat meine Wahrnehmung der Natur verändert. Ich sehe nicht mehr dicht bewucherte Flussufer, sondern den invasiven Neophyten Knöterich. Die Sträucher mit den weissen Blütendolden und später dunklen Beeren sind nicht einfach hübsche Büsche sondern Manifestationen der holden Holda.