Sonntag, 21. September 2014

Herbst Tagundnachtgleiche




Die ersten Blätter verfärben sich, rote Beeren prangen an den Büschen und mein Tisch ist reich bedeckt mit Früchten. Der deutlichste Ausdruck des Herbstbeginns scheint mir jedoch die Dunkelheit, die mich morgens beim Aufstehen umhüllt.
Meine Saat des Frühlings ist aufgegangen, ich bin dankbar für die reiche Ernte.

Samstag, 20. September 2014

Pseudogeschichte



Als Eklektikerin habe ich kein grundsätzliches Problem damit eine Vorstellung oder Handlung aufzunehmen für die es keine historischen Vorbilder gibt, bzw. die explizit neu erfunden ist. Problematisch scheint mir allerdings eine falsche Historifizierung: Wenn also ein neues Konzept auf die Vergangenheit projiziert wird mit der Behauptung, diese Vorstellung oder Praktik sei uralt und schon immer dagewesen. 


Ich verstehe, dass nicht jeder Neuheide die Möglichkeit (und das Interesse) hat jede Idee auf ihre wissenschaftliche Stichhaltigkeit zu prüfen. Und selbst wenn, schützt dies nicht vor Fehlinformation: Beispielsweise entstammte die Vorstellung akademischen Kreisen, der Hexenverfolgung läge der Kampf gegen eine heidnische Hexenreligion zugrunde.

Ich verstehe, dass gewisse pseudohistorische Vorstellungen „empowering“ wirken können, aber natürlich nur solange sie nicht in Frage gestellt werden. Wenn z.B. enthüllt wird, dass Wicca nicht auf eine ungebrochene Tradition bis in die Anfänge der Menschheit (oder doch wenigstens einige tausend Jahre weit) zurück geht, sondern 1950 erfunden wurde, ist das nicht nur ein willkommener Angriffspunkt für Kritiker, sondern mag auch bei der Wicca-Anhängerin selbst grundsätzliche Zweifel hervorrufen.

Mir scheinen pseudogeschichtliche Vorstellungen für das Verständnis vergangener Zeitalter abträglich; sie berauben uns tieferer Einsichten. Es gibt Aspekte der alten Lebenswelt, die aus der heutigen Perspektive nicht reproduktionswürdig erscheinen, deshalb brauchen sie als geschichtliche Realität nicht verleugnet zu werden. Neben der Trübung unseres Blicks auf die Vergangenheit mögen Projektionen heutiger Vorstellungen in die graue Vorzeit auch unser gesellschaftliches Innovationsvermögen beeinträchtigen, weil kontingente Inhalte durch pseudohistorische Legitimierungsstrategien zementiert werden.

Freitag, 19. September 2014

Quellen und Einflüsse


Die frühesten Zeugnisse von Frau Holle stammen aus dem 12. Jahrhundert aus den Händen von Mönchen, es gibt also keine Belege aus vorchristlicher Zeit zum Thema. Oft entstanden Verschriftlichungen heidnischer Vorstellungen erst nach der Christianisierung, mit entsprechende Folgen in der Deutung der Inhalte. Wie gehen Neuheiden mit den christlichen Einflüssen um? Zumal wir über ihren Umfang im Unklaren sind.

Donnerstag, 18. September 2014

Quellen und Widersprüche



Gottheiten die über einen grossen Zeitraum in einer weiten räumlichen Verbreitung geehrt wurden, haben viele verschiedene Facetten angesammelt. Natürlich ist es schön, wenn wir eine breite Quellenlage haben, aber wie gehen wir mit unvereinbaren Informationen um? Als Beispiel: Frau Holle führt je nach Region das wilde Heer an, zum Teil besteht dieses Heer ausschliesslich aus Frauen oder aber, sie wird von einer Schar gestorbener Kinder umgeben. Für eine Vermischung der drei Gruppen gibt es keine Zeugnisse, welcher Ansicht schliessen wir uns also an?

Montag, 15. September 2014

Opfer und ihre Entsorgung



Wenn ich in der freien Natur Opfergaben darbringe, sind sie oft schon am nächsten Tag verschwunden. Doch braucht mich auch ihr Liegenbleiben nicht zu bekümmern, da Mutter Natur sich den organischen Substanzen annimmt und sie zu ihrem Nutzen wandelt. In geschlossenen Räumen verschwinden dargereichte Opfergaben in der Regel nicht über Nacht. Wie geht man damit um?
Ein Spaziergang in den Wald oder zum garteneigenen Komposthaufen sind Möglichkeiten die materiellen Überreste des göttlichen Festessens weiter zu schenken. Der Mülleimer scheint mir zumindest für frische Speisen eine dekadente letzte Ruhestätte. Hier ziehe ich das hinduistische Konzept des Prasad vor: das feststoffliche Verbleibende wird nach dem Mahl der Götter von den Menschen als gesegnete Speise verzehrt.

Sonntag, 14. September 2014

Opfer und Dankbarkeit




Als Mitglied einer Überflussgesellschaft überkommen mich gelegentlich Wogen der Dankbarkeit. Das Opfer ist für mich ein Weg ihnen Ausdruck zu verleihen. Neben der Dankbarkeit für einen gesättigten Bauch, liebende Mitmenschen, ein schützendes Dach oder Zugang zu Wissen, ergeben sich auch konkretere Anlässe; wenn ich mich zum Beispiel von speziell glücklichen Umständen gesegnet sehe oder eine Bitte erhört wurde. Das Teilen meines Glücks durch Dankesopfergaben vervielfacht es.

Freitag, 12. September 2014

Sakraler Alltag




Es scheint mir immer schwieriger zwischen sakralen und profanen Aspekten meines Alltags zu unterscheiden. Natürlich gibt es Momente, die eindeutiger als sakral erkennbar sind, zum Beispiel wenn ich eine Opfergabe darbringe oder meinen Wissensdurst im religiösen Bereich stille. Jedoch erhalten nach und nach zuvor profane Beschäftigungen eine religiöse Bedeutung: Beim Gärtnern staune ich über das Mysterium des aus einem Samen spriessenden Pflänzchens, beim Basteln werde ich zum Kanal kosmischer Eingebungen und beim Tanzen hüpfen Götter und Geister mit mir.

Donnerstag, 11. September 2014

Horizonterweiterung



Ich erlebe Reisen als Horizonterweiterung, nicht nur in einem physikalischen, sondern auch in einem metaphysischen Sinn. Der Ausbruch aus dem Alltag ermöglicht eine neue Perspektive auf die Welt, aber auch auf das selbst, wo durch das Wegfallen alter Muster die eigenen blinden Winkel aufgedeckt werden. Reisen führen aus der Komfortzone heraus und fordern damit zum Überdenken bisheriger Selbstverständlichkeiten auf. Probleme können nicht länger in den erprobten Bahnen umgangen werden, so dass die fehlende Rückzugsmöglichkeit zur Veränderungsnotwendigkeit führt. Die neuen äusseren Einflüsse bewirken eine Neuordnung des Innenlebens.